Donnerstag, 26. Juli 2012

Theunert konstruiert Geschlechterkampf


Nun – ist ja an sich nicht ungewöhnlich, dass Menschen, die eine Stelle antreten innerhalb der Probezeit aufhören, weil es nicht geigt. Die aktuellen Reaktionen auf die Kündigung von Markus Theunert als Männerbeauftragter des Kantons Zürich sind jedoch ziemlich irritierend. Theunert himself stellt sich als Medienopfer dar und deutet an, dass von Beginn weg Druck gegen ihn persönlich und die Stelle an sich u.a. durch andere Gleichstellungsbeauftragte ausging. Die Journis nehmen den Ball auf und bereits ein Tag nach dem Eklat ist der Tenor in der Berichterstattung sowie in den leidigen online-Kommentaren eindeutig: Die Gleichstellungs-Emanzen würden wohl keine Männer unter sich haben wollen und schon gar nicht derart kompetente und starke Persönlichkeiten wie Theunert eine ist, weil die wollen ja schliesslich primär die Bevorteilung der Frauen weitertreiben. Dieser Ton gipfelt in einer der erhellensten Schlagzeilen: "Feministinnen stürzen Männer-Lobbyisten". Und schon sind sie da, die uralten Propaganda-Mythen über Feministinnen: Im eben aufgeführten Artikel ist die Rede von "weiblichen Gleichstellungs-Haifischen" und die "Insider"-Aussage, dass es sich bei den kritischen Kreisen wohl um "Vertreterinnen der Generation, die noch um das Frauenstimmrecht kämpfen mussten" handelt, bleibt unkommentiert stehen (es ist ja schon so, dass die Einführung des Frauenstimmrechts noch nicht so lange her ist, aber wir bezweifeln mal, dass sich das Durchschnittsalter der Gleichstellungsbeauftragten auf 69 Jahre beläuft). Wenn dieser Vorfall schon berichtenswert sein sollte, dann macht Euch doch wenigstens ein paar schlaue und kritische Gedanken dazu. Wir jedenfalls nehmen ihn exemplarisch zum Anlass, mal ein paar Worte zur "geschlechterdialogischen Strategie" von Herrn Theunert und derjenigen, die sie mittragen, zu verlieren.

Schon seit Längerem fragen wir uns, was eigentlich genau der Punkt ist mit Theunert und co.. Es freut selbstverständlich, wenn auch Männer sich für die Umsetzung der tatsächlichen Gleichstellung einsetzen und die Überlegungen und Anliegen aus ihrer Perspektive sollten als Erstes mal Ernst genommen werden. Doch das Verhalten verschiedenster Akteur_innen, wie es sich auch nun in diesen Tagen zeigt, lässt ein schon seit langem vorhandenes Unbehagen wieder aufschäumen. Wer reagiert momentan inwiefern? Warum wird die offenbar vorhandene Kritik seitens der Gleichstellungsbeauftragten seltsam suggestiv aufgeführt, jedoch deren Inhalt nicht erläutert? Warum zum Teufel wird die Stelle eines Männerbeauftragten geschaffen, wenn deren aufgeführte Inhalte schon seit Jahren Programm der institutionellen Gleichstellungsarbeit ist? Warum war es sonnenklar, dass Markus Theunert diese Stelle besetzen wird?


Männerbeauftragter als erster Schritt für den "Geschlechterdialog"??

Im Zentrum der Geschlechterpolitik von Männer.ch steht der "Geschlechterdialog". Der Funktioniert so: Es gibt Frauenpolitik und es gibt Männer-, Väter- und Bubenpolitik und wenn diese beiden Politiken miteinander dialogisieren, dann kann gleichsgestellt werden. Dieser angestrebte Dialog basiert offensichtlich auf der Annahme, dass die Gleichstellungspolitik momentan (also schon seit immer) ausschliesslich Frauenpolitik ist und eine Lücke vorhanden ist, welche durch die "Männer-, Väter- und Bubenpolitik" von Männer.ch gefüllt werden soll. Offenbar scheint das für den Kanton Zürich auch eine Lücke zu sein, welche er füllen will. Nun ja, gucken wir doch mal die Inhalte dieser "Männer-, Väter- und Bubenpolitik" an. Flexible Arbeitszeitmodelle, Schaffung von Teilzeit- und Jobsharing-Modellen, Einführung von Elternzeit, Anerkennung von Familien- und Gemeinschaftsarbeit als berufliche Qualifikation, gemeinsame elterliche Sorge, sexuelle Bildung für alle, chrchrchchrrrrrrrrrrrrrrr – hubla! Da ist das Gesicht eingeschlafen, da diese Forderungen schon seit gefühlten 1000 Jahren u.a. auf den Tischen der Gleichstellungstanten festkleben und immer noch nicht umgesetzt wurden. Und genau das nervt. Diese Forderungen werden dargestellt, als ob sie neu erfunden worden wären und nun die besagte Lücke in der Gleichstellungspolitik füllen würden. Dabei wird offensichtlich nicht anerkannt, dass in diesem Feld sämtliche Geschlechter schon immer mitgedacht wurden und es sich hierbei nicht um eine Fortsetzung eines (mythischen) Geschlechterkampfes handelt. Dass es vor allem Frauen sind, welche sich grosse Kompetenzen in diesem Bereich über Jahre erarbeitet haben, liegt auf der Hand. Der Geschlechter-Dialog-Ansatz ist stossend, weil er einen gemeinsamen Kampf suggeriert, jedoch einen Geschlechterkampf konstruiert.


Theunert – schraub mal einen Gang runter

Die eben beschriebene Nicht-Annerkennung spiegelt sich im Auftreten von Markus Theunert. Schon nur die Tatsache, dass eine "Bewegung" seit ein paar Jahren durch EIN Gesicht auftritt, irritiert. Wenn nun das von Männer.ch portierte Anliegen, die Gesellschaft von Geschlechter-Stereotypen zu befreien diametral zum Stereotypen reproduzierenden Auftreten von diesem einen Gesicht steht, wird’s richtig schwierig. An stereotyp männlicher Unbescheidenheit mangelt es nicht – von Markus Theunert (ehrenamtlicher Präsident von Männer.ch) darf man honorarfrei ein druckreifes Foto von der Website laden, in der Männerzeitung wird er im Impressum als Gründer nach wie vor aufgeführt, für Referate oder Podiumsteilnahmen muss man fei echli sparen, um sich den Ehrenamtlichen leisten zu können, seine persönliche Stellungnahme zum aktuellen Fall, schliesst er mit einem Lösungsvorschlag für das Gelingen des Projektes Gleichstellung: ein Hinweis auf SEINE Publikation. Zu guter Letzt folgt der (sich) krönende Abschluss in der Begründung der Kündigung als Männerbeauftragter: "Als Präsident von Männer.ch erziele ich die grössere Wirkung". Macht Sinn. Unterabteilungsmensch bei einer verstaubten Kantonsverwaltung klingt weniger spassig als Präsident sein mit honorarfreiem hochaufgelöstem Föteli.

Dieser Habitus nervt gewaltig, weil er sich in einer patriarchalen Welt ein Gehör verschafft, welches die vielen engagierten Gleichstellungstanten (es gibt übrigens schon seit Langem auch vereinzelte Gleichstellungsönkel, einfach ohne Brimborium halt --> s. "Anerkennung") nicht erlangen. Kompetenz ist ein männliches Stereotyp. Womit wir an dieser Stelle gerne mal das Spielchen umdrehen. Wir kennen es alle – Frauen, die eine Stelle nicht erhalten oder gekündigt werden, wird als erstes mal die Kompetenz abgesprochen. Nun, könnte es sein, dass Markus Theunert nicht diejenigen Kompetenzen mitbringt, die eine Arbeit bei einer Fachstelle für die Gleichstelle von Mann und Frau erfordert? Neben der mangelnden Anerkennung der Arbeit innerhalb der Gleichstellungspolitik und dem patriarchalen Auftreten, finden sich in einigen Aussagen Hinweise, dass er noch nicht alles so wirklich zu Ende gedacht hat. Einer unserer Lieblinge findet sich in der "Distanzierung" zur IG-Antifeminismus, an deren Treffen Theunert auftrat:  "Das «Antifeminismus-Treffen» gibt untaugliche Antworten [Genau!], formuliert aber legitime Fragen [wie bitte?]. Es ist Ausdruck einer wachsenden Zahl von Männern, welche sich in ihrer Alltagsrealität und ihren Anliegen im Stich gelassen fühlen [wer lässt sie im Stich? Die ¾-Männermehrheit in den Parlamenten?]. Es ist Warnsignal für ein reales Problem: die ungenügende Berücksichtigung der Männeranliegen durch die Politik im Allgemeinen und die Gleichstellungsinstitutionen im Speziellen [Diese Studie über die Unberücksichtigung würde uns interessieren]". Chancengleichheit und Wahlfreiheit scheint auch nicht seine Kernkompetenz zu sein: Auf die Präzisierungsfrage einer Journi, ob es sich bei der Lohndifferenz nicht um 20%, statt um 8% handle, antwortet Theunert bei seinem Stellenantritt als Männerbeauftragter: "Diese 20 Prozent setzen sich aus zwei Komponenten zusammen: 12 Prozent kann man dadurch erklären, dass Frauen weniger Weiterbildungen besuchen und sich für Berufe entscheiden, die weniger gut bezahlt werden. Dies ist jeder Frau selbst überlassen. Die restlichen acht Prozent sind reine Diskriminierung". Ähm, ja.


1 Kommentar:

  1. Liebe Autorin

    Ich danke für die differenzierte Auseinandersetzung mit der Arbeit von Männer.ch und mir. Ich kann an dieser Stelle nicht auf alle Kritikpunkte eingehen. Einen möchte ich hervorheben: Weder Männer.ch noch ich erheben irgendeinen Anspruch darauf, besonderes innovative Forderungen zu erheben (auch wenn das offenbar in der Öffentlichkeit anders genommen wird). Auch anerkennen wir sehr wohl, dass viele wertvolle Arbeit auch für Buben, Männer und Väter in den Gleichstellungsinstitutionen erbracht wird. Trotzdem ist es ja offensichtlich, dass wir von der tatsächlichen Gleichstellung noch sehr weit entfernt sind. Wir meinen, an diesem Punkt Vorschläge zu machen, wie das Engagement der Männer für das gemeinsame Projekt Gleichstellung gestärkt werden kann, damit es endlich wieder an Fahrt gewinnt. Inhaltlich sind die Übereinstimmungen und Überschneidungen sehr gross. Die Diskussion dreht sich um den methodischen Ansatz, wie der Einbezug der Buben-, Männer-, Väterperspektiven sinnvoll gestaltet wird. Diese Diskussion über geeignete gleichstellungspolitische Strategien mit dem verbindenden Horizont Chancengleichheit möchten wir führen.

    Ich bin sehr gern zu einem Austausch bereit, in kleiner oder grösserer Runde, informell oder öffentlich (und auch ohne Honorar ;-).

    Viele Grüsse
    Markus Theunert

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