Samstag, 13. Februar 2016

Frau Merkel, der Schauspieler und die Rechtsanwältin


Schaut – wie eine andere Berichterstattung gehen kann, zeigt die Tagesschau unseres Nachbarlandes. Dass es aber jeweils auch einen zweiten Blick braucht, zeigt sie auch.

- Wir lesen: Eine durchaus treffende (und humorvolle) Bildbezeichnung. Freude.
- Wir sehen aber: Den Schauspieler aktiv im Gespräch mit der Kanzlerin. Er braucht dafür halt schon auch genug Platz für seine Beine. Die Menschenrechtsanwältin kann v.a. gut zuhören. Vielleicht kann sie ja noch was von ihm lernen. Die Kanzlerin übrigens auch. Der Schauspieler, der nebenbei Werbung für einen Konzern macht, der Wasser privatisieren möchte, spricht über die "Flüchtlingskrise".
- Wir hören auch schon die Kommentare: Ey, macht euch mal locker. Nie kann man es euch recht machen.
- Wir denken: Doch, könnt ihr. Give it a try. Und hört uns zu.

Klar, die Bild-Textkomposition könnten wir verschiedentlich deuten. Wir belassen es bei einem Lese-Hinweis der abgebildeten Situation: Einen kurzen Beitrag über das Phänomen des "Mansplaining" gibt's hier – Tipps für allwissende Männer hier.

Montag, 21. Dezember 2015

Les Reines Prochaines – Fremde Torten im falschen Paradies




Sie kam und blieb präsentiert:

Les Reines Prochaines
Fremde Torten im falschen Paradies

Mit anschliessendem Tanz mit Sister Knister

Samstag, 26. Januar 2016, Frauenraum Bern
Tür: 20.30h
Konzert: 21.30h

Les Reines Prochaines als starke Säulen der Gesellschaft suchen und nutzen Handlungsspielräume in ihrer Umgebung um einen Weg in eine zukunftsfähige Moderne zu finden. Mit kreativer Unklarheit suchen sie Wege wie sie sich vom Überfluss befreien können. Mit Mut, Aberwitz und Poesie experimentieren sie mit Tieren, mit der Liebe und Utopien. Les Reines Prochaines - Michèle Fuchs, Fränzi Madörin, Muda Mathis und Sus Zwick - spielen brandneue Lieder, Chansons und rücken längst vergessene Begriffe in helles Licht. Sie erfinden neue Muster im alten Paradies. Im Eldorado verschieben sie die Möbel und zwirnen Ideologien wie Anarchismus, Soziokratie, den Blues und die Zoologie zu neuen Blüten.

Djane Sister Knister alias Grazia Pergoletti prägt seit über 25 Jahren das Berner Kulturleben mit dem Theater Club 111, das wie die Reines von einem Frauenkollektiv geführt wird. In Basel sozusagen mit Les Reines Prochaines aufgewachsen, ist sie hier als Plattenlegerin aus den legendären Tojodiskos der 90er bekannt und bringt die Knie der Tanzbegeisterten auch heute noch zum Beispiel im Café Kairo, im Progr oder im Les Amis zum schlackern. Sie mixt Sixties-Beat mit Indie-Rock, R'n'B mit Hip Hop, streut ein paar Skurilitäten darein und nennt das ganze Gangster-Pop. Warm und cool, classy und wild.

Mittwoch, 12. November 2014

Polyamorie – ein Mittel gegen Eifersucht?





Frauenraum Reitschule Bern, Dienstag, 9.12.2014, 19.30h (Türöffnung 19h)

Die diesjährige «16 Tage gegen Gewalt an Frauen»-Kampagne legt den Fokus auf Eifersucht und Kontrollverhalten in Beziehungen.

Mit ihrem Buch «Die andere Beziehung. Polyamorie und philosophische Praxis» sind Imre Hofmann und Dominique Zimmermann der Infragestellung bestehender Beziehungsmodelle nachgegangen und beleuchten ethische Fragen über den Umgang untereinander innerhalb von Beziehungen.

Wir laden euch herzlich ein zur Lesung und Diskussion mit den Autor_innen!

Veranstaltet vom Kollektiv “Sie kam und blieb”

Weitere Informationen über die Kampagne: www.16tage.ch


Dienstag, 4. Juni 2013

Lesben nach vorn – Abweichung als Systemressource

Ein Gastbeitrag von Yv Eveline Nay*

Derzeit ist Pride-Zeit. Der Christopher Street Day (CSD) wird gefeiert und damit wird an die Aufstände von Transgender, Lesben, Schwulen und Bisexuellen im Juni 1969 in Greenwich Village in New York gedacht. Was mit einem Aufstand begann, ist heute zur Parade geworden – auch in der Schweiz. Der Stonewall-Riot wurde zur Pride-Parade. Eine „Parade des Stolzes“, die von den Medien gerne als schrill beschrieben und mit Drag Queens bebildert wird. An der Kundgebung is party going on: ausgelassene Lesben, Schwule, Bisexuelle, Trans*Menschen und Queers (kurz: LGBTQ) tanzen auf, neben und hinter dröhnenden Lastwagen mit Bannern von sowohl politischen LGBTQ-Organisationen wie auch von den angesagten Clubs. Dahinter fahren sportliche Wagen einer global agierenden Kosmetikfirma, wo unter Werbeplakaten begehrte Probierpackungen von Anti-Faltencrème für Männer und pastellfarbene Beinrasierer verteilt werden. Die alljährliche Pride ist das ‚Homo’-Event und gilt im Mainstream (trotz des langjährigen lesbischen Feminismus und trotz der derzeit aufblühenden Trans*Bewegung) gemeinhin als männlich und schwul. Dieser Fokus soll hier etwas verschoben werden, zunächst mit der Frage: „Was ist die Lesbe von heute?“ Eine Frage, die mir anlässlich des letztjährigen „Lesbenkongresses“ der Lesbenorganistation Schweiz (LOS) gestellt wurde und die mich seither beschäftigt hat. 

Sexuelle Avantgarde?
Was also ist „die Lesbe von heute“? Selbstverständlich sind die Vorstellungen über Lesben in der breiten Öffentlichkeit anders, als beispielsweise das Verständnis, das Lesben von sich selbst haben. Lesben erscheinen – in den spärlichen Berichten über sie – in Mainstream-Medien als normbefreit und avantgardistisch, die weder Feminismus noch Gleichstellungspolitiken länger brauchen. So zum Beispiel im Magazin des Tages-Anzeigers aus dem Jahr 2011 zum Thema „Liebe, Leben, Lesben“ (Das Magazin 2011).[1] Unter dem Titel „Liebesspielerinnen“ ist eine Fotoserie über junge Lesben abgedruckt. Die Bilder portraitieren eine Freund_innen-Gemeinschaft, der es um „Freundschaft, weite Reisen, tiefe Blicke und kleine Lieben“ (Das Magazin 2011: 32) geht, wie eine der abgebildeten Lesben zitiert wird. Es sind junge, hippe Frauen, deren Fotos begleitet werden von belanglosen und anzüglichen Textlegenden, die einen einen voyeuristischen Beigeschmack haben: „Claudia (blond, Bild oben links) schmust mit Rosi“ (Das Magazin 2011: 35) oder „Yvonne und Nadine (oben) lassen sich mal treiben“ (Das Magazin 2011: 35). Die Porträts der Freund_innen-Gemeinschaft sollen die Kritik an der Monogamie in einem anderen Artikel in der gleichen Magazin-Nummer unterstreichen. Sie stellen junge Lesben in ihrer freizügigen Freund_innen-Gemeinschaft dar, frei von engen Beziehungsnormen, denen – so das Editorial des Magazins – heterosexuelle Paare unterworfen seien (Das Magazin 2011: 3).
Diese Lesben repräsentieren gemäss Magazin in Sachen Liebe und Leben die heutige Avantgarde. Denn sie glauben nicht – wie die scheinbar altbackenen Heteros – an die monogame Liebe, vielmehr reisen sie unbeschwert als Freund_innen durch die Welt und durch die Liebe. Feminismus – der als Oberthema dieser Magazin-Nummer fungiert –, scheint mit Lesben nichts zu tun zu haben. Die normbefreiten jungen, dynamischen Lesben scheinen von ihrem Lebensstil nur Vorteile zu ernten. Es ist keine Rede von Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts, ihrer lesbischen Lebensweise oder von Homophobie. 

L-Word statt F-Wort?
Die Inszenierung der Lesben im TA-Magazin findet sein Pendant in der US-amerikanischen TV-Serie „The L-Word“, in der Lesben die Hauptrollen spielen. Die Serie ist wohl die berühmteste Lesbenserie und seit der Erstausstrahlung im Jahr 2004 der Knüller unter Lesben. Ein Klick bei Google und ich komme zum Titelbild der letzten Staffel. Die Aufmachung erinnert an die Fotos der jungen, weiss aussehenden, sexualisierten Lesben im Magazin: Die lesbischen L-Word-Charaktere sind auch hier chic, sexy, wohlhabend. Sie sind die Sterne in den Träumen vieler Lesben - allerdings sind sie weit entfernt von einer Durchschnittslesbe. L-Word wurde vielfach kritisiert, keine ‚lebensechten’ Lesben zu zeigen und so entstand „The D Word“[2], eine Parodie von L-Word, die nicht respektable ‚Lesben’, sondern ‚Dykes’ wie Lesben im Englischen Slang abfällig bezeichnet werden – männlich stilisierte Frauen, fettleibige Lesben, schwarze und braune Lesben oder Prolo-Lesben – vor die Kamera bringt. Mit der gleichen Motivation entstand eine weitere parodistische Adaptation, die „F-Word“[3] heisst. F für Feminismus – der im Magazin so gar nicht mit den jungen Lesben in Verbindung gebracht wurde.
In L-Word werden durchaus starke Frauen einem lesbischen – und nota bene auch einem heterosexuellen, nicht zuletzt männlichen – Publikum präsentiert. L-Word hat das Bild von Lesben in der Mainstream-Wahrnehmung verändert. Die klischierte Vorstellung von der beinbehaarten, hässlichen, wütenden ‚Kampflesbe’ oder ‚Mannsweib’ wurde teilweise abgelöst durch die Lifestyle-Lesbe. Auch die Lifestyle-Lesben in L-Word haben Feminismus nicht mehr nötig. Die Proklamierung der hippen und erfolgreichen Lesbe wird in der Community der Lesben als Fortschritt in der Anerkennung lesbischer Lebensweisen gedeutet. Aber sind Lesben durch TV-Serien wie L-Word tatsächlich in der Mitte der Gesellschaft angelangt, und ist Feminismus dadurch obsolet geworden? Wurde das F-Wort von L-Word abgelöst?
Wenn wir L-Word oder dem Magazin glauben wollen, sind junge Lesben die normbefreiten und flexiblen Subjekte, „denen noch alle Möglichkeiten des Lebens offenstehen“ (Das Magazin 2011: 36). In Zeiten des krisengeschüttelten Neoliberalismus erscheint das als echtes Kapital. Lesben werden zu den Gewinner_innen prekärer Zeiten stilisiert und damit zu Figuren der Hoffnung und des Fortschritts. 

Regenbogen-Mamis nach vorne!
Lesben führen derzeit die Speerspitze im politischen Aktivismus der LGBTQ-Community: An forderster Front werden Lesben den diesjährigen CSD, pardon, die Pride anführen. Als Regenbogen-Mamis stehen sie beim diesjährigen Pride-Motto „All Families Matter“ im Zentrum der Aufmerksamkeit. Zusammen mit einigen Schwulen und Trans* fordern sie gleiche Rechte wie heterosexuell lebende Eltern. Insbesondere Lesben ergreifen in den letzten Jahren vermehrt die Initiative (inklusive deren Hürden), eine Familie zu gründen. Sie erscheinen neuerdings oft als so genannte Regenbogen-Mamis, die für ihre Rechte als Mütter einstehen. Sie fordern die Öffnung der Ehe, worin sie einen Fortschritt in der Gleichberechtigung von LGBTQ sehen.
Da sträuben sich alle (Bein)Haare von lesbischen Feminist_innen, die in den 1970er und 1980er Jahren sozialisiert worden sind. Damals forderten sie die Abschaffung der Ehe, weil sie patriarchale Herrschaftsverhältnisse aufrecht erhalten würde. Heute verbünden sich Lesben kaum wie in den 1970er und 1980er Jahren mit Abtreibungsbefürworter_innen gegen die (neuerdings wieder aufkommenden) sogenannten „Lebensschützer_innen“, sondern werden selber Mamis – Regenbogen-Mamis, die heiraten wollen. Das Anliegen, als ‚normale’ Familie behandelt zu werden, ist zwar aufgrund der misslichen Rechtslage für so genannte „Regenbogenfamilien“ legitim und wichtig und macht den Schulterschluss mit der patriarchalen Institution der Ehe verständlich. Doch bringt er tatsächlich Gleichberechtigung? Mit kritischem Blick liesse sich fragen: Warum muss zuerst geheiratet werden – oder die gleichgeschlechtliche Partner_innenschaft eingetragen werden – bevor Eltern und Kinder als solche rechtlich anerkannt werden können? Und wie kann verhindert werden, dass die Forderung nach der Öffnung der Ehe die rechtliche Anerkennung von Familien mit mehr als zwei Eltern verunmöglicht? 

Queer-feministische Bündnispolitik!
Lesbische Lebensweisen als normbefreit, sexualisiert und dynamisch zu stilisieren ist eine Folge eines Neoliberalismus, der Diversität und vielmehr noch Dissidenz zwecks Kommerzialisierung vereinnahmt. Alternative Lebensweisen werden neuerdings nicht mehr alleine als Abweichung marginalisiert. Die Abweichung von der Norm dient vermehrt als Ressource für einen Kapitalismus, der flexibilisierten Subjekte als Systemressource benötigt. Und dennoch: Das diesjährige Motto der Pride könnte – neben der Vermarktung von Schönheitsprodukten, was bei dem diesjährigen Pride-Motto wohl mit Babyprodukten ergänzt wird, und dem ausgelassenen Tanzen – Anlass sein, über neue Formen von Politik nachzudenken. Ich plädiere an dieser Stelle dafür, utopische Formen queer-feministisches Lebens zu entwerfen. In einer solchen Utopie würde Gleichberechtigung nicht Gleichheit bedeuten. So würden ‚wir’ keine kommerziell vermittelte Anpassung verfolgen, sondern eine Politik der strategischen Anpassung wählen. Das Ziel soll es nicht sein, der flexibilisierten Normalisierung zu entsprechen. Denn ‚wir’ wollen doch nicht einfach so schön und reich sein wie die L-Word-Figuren. ‚Wir’ wollen es auch nicht ins TA-Magazin ‚schaffen’, um dort als avantgardistische „Liebesspielerinnen“ anzüglich abgebildet zu werden. Noch wollen ‚wir’ als ‚normale’ Kleinfamilie die vielfältigen Kreationen von Familie verdecken.
Das Ziel wäre es vielmehr, die Vielfältigkeit queer-feministischen Lebens wertzuschätzen und dafür einzustehen, dass nicht alleine neoliberal passungsfähige Vielfalt gelebt werden kann. Dazu würden sehr wohl auch Glamour-Lesben gehören, Zwei-Eltern-Regenbogenfamilien oder umwerfend aussehende Liebesspieler_innen. Darüber hinaus würden jedoch auch Lesben in pflegebedürftigem Alter, behinderte gleichgeschlechtlich Liebende, Trans*Lesben, Lesben, die von der Sozialhilfe leben, fettleibig sind, lesbische Migrant_innen oder Lesben, die gehörlos sind und dazu vielleicht noch SM-Sexualität praktizieren, gleichberechtigt Platz finden. In einer queer-feministischen Vision von Politik ginge es um die Ermöglichung der Verschiedenheit in all ihren Facetten ohne eine allzu nahtlose Einverleibung in das kommerzielle System eines Kapitalismus der Diversität.

* Yv Eveline Nay ist Soziolog_in und Geschlechterforscher_in am Zentrum Gender Studies  der Universität Basel und an der Columbia University in New York. Nay hat unter anderem zur Geschichte frauenliebender Frauen und Lesben in Graubünden geforscht und untersucht derzeit im Rahmen eines Nationalfonds-Forschungsprojekts gleich- und trans*geschlechtliche Familien in der Schweiz. Nay ist zudem aktivistisch in verschiedenen queer-feministischen Zusammenhängen eingebunden.



[1] Das Magazin 2011, Heft Nr. 40. Tamedia AG: Zürich.
[2] Siehe http://www.thedword.com (zuletzt eingesehen am 21.05.2013).
[3] Siehe http://www.faithsoloway.com/fword.html  (zuletzt eingesehen am 21.05.2013).




Montag, 6. August 2012

Queerfeminismus – gelebte Geschlechtervielfalt in Zürich

Zürcher_innen laden ein zum feministischen Netzwerktreffen – und zwar am Samstag, den 29. September ab 13h im Infoladen Kasama! Euch anmelden könnt ihr euch bis am 29.9. hier.

Die Organisator_innen möchten u.a. darüber diskutieren, "was Queerfeminismus ist, und welche politischen Anliegen er vertritt. Aber vor allem möchten wir zu einem Gedankenaustausch darüber anregen, wie sich das heteronormative Gängelband lockern lässt, wie es sich so leben und lieben lässt, und was das Schönes bringt."

Weitere Informationen zum Inhalt und Ablauf findet ihr im Flyer!

We'll be there kommt auch!




Donnerstag, 26. Juli 2012

Theunert konstruiert Geschlechterkampf


Nun – ist ja an sich nicht ungewöhnlich, dass Menschen, die eine Stelle antreten innerhalb der Probezeit aufhören, weil es nicht geigt. Die aktuellen Reaktionen auf die Kündigung von Markus Theunert als Männerbeauftragter des Kantons Zürich sind jedoch ziemlich irritierend. Theunert himself stellt sich als Medienopfer dar und deutet an, dass von Beginn weg Druck gegen ihn persönlich und die Stelle an sich u.a. durch andere Gleichstellungsbeauftragte ausging. Die Journis nehmen den Ball auf und bereits ein Tag nach dem Eklat ist der Tenor in der Berichterstattung sowie in den leidigen online-Kommentaren eindeutig: Die Gleichstellungs-Emanzen würden wohl keine Männer unter sich haben wollen und schon gar nicht derart kompetente und starke Persönlichkeiten wie Theunert eine ist, weil die wollen ja schliesslich primär die Bevorteilung der Frauen weitertreiben. Dieser Ton gipfelt in einer der erhellensten Schlagzeilen: "Feministinnen stürzen Männer-Lobbyisten". Und schon sind sie da, die uralten Propaganda-Mythen über Feministinnen: Im eben aufgeführten Artikel ist die Rede von "weiblichen Gleichstellungs-Haifischen" und die "Insider"-Aussage, dass es sich bei den kritischen Kreisen wohl um "Vertreterinnen der Generation, die noch um das Frauenstimmrecht kämpfen mussten" handelt, bleibt unkommentiert stehen (es ist ja schon so, dass die Einführung des Frauenstimmrechts noch nicht so lange her ist, aber wir bezweifeln mal, dass sich das Durchschnittsalter der Gleichstellungsbeauftragten auf 69 Jahre beläuft). Wenn dieser Vorfall schon berichtenswert sein sollte, dann macht Euch doch wenigstens ein paar schlaue und kritische Gedanken dazu. Wir jedenfalls nehmen ihn exemplarisch zum Anlass, mal ein paar Worte zur "geschlechterdialogischen Strategie" von Herrn Theunert und derjenigen, die sie mittragen, zu verlieren.

Schon seit Längerem fragen wir uns, was eigentlich genau der Punkt ist mit Theunert und co.. Es freut selbstverständlich, wenn auch Männer sich für die Umsetzung der tatsächlichen Gleichstellung einsetzen und die Überlegungen und Anliegen aus ihrer Perspektive sollten als Erstes mal Ernst genommen werden. Doch das Verhalten verschiedenster Akteur_innen, wie es sich auch nun in diesen Tagen zeigt, lässt ein schon seit langem vorhandenes Unbehagen wieder aufschäumen. Wer reagiert momentan inwiefern? Warum wird die offenbar vorhandene Kritik seitens der Gleichstellungsbeauftragten seltsam suggestiv aufgeführt, jedoch deren Inhalt nicht erläutert? Warum zum Teufel wird die Stelle eines Männerbeauftragten geschaffen, wenn deren aufgeführte Inhalte schon seit Jahren Programm der institutionellen Gleichstellungsarbeit ist? Warum war es sonnenklar, dass Markus Theunert diese Stelle besetzen wird?


Männerbeauftragter als erster Schritt für den "Geschlechterdialog"??

Im Zentrum der Geschlechterpolitik von Männer.ch steht der "Geschlechterdialog". Der Funktioniert so: Es gibt Frauenpolitik und es gibt Männer-, Väter- und Bubenpolitik und wenn diese beiden Politiken miteinander dialogisieren, dann kann gleichsgestellt werden. Dieser angestrebte Dialog basiert offensichtlich auf der Annahme, dass die Gleichstellungspolitik momentan (also schon seit immer) ausschliesslich Frauenpolitik ist und eine Lücke vorhanden ist, welche durch die "Männer-, Väter- und Bubenpolitik" von Männer.ch gefüllt werden soll. Offenbar scheint das für den Kanton Zürich auch eine Lücke zu sein, welche er füllen will. Nun ja, gucken wir doch mal die Inhalte dieser "Männer-, Väter- und Bubenpolitik" an. Flexible Arbeitszeitmodelle, Schaffung von Teilzeit- und Jobsharing-Modellen, Einführung von Elternzeit, Anerkennung von Familien- und Gemeinschaftsarbeit als berufliche Qualifikation, gemeinsame elterliche Sorge, sexuelle Bildung für alle, chrchrchchrrrrrrrrrrrrrrr – hubla! Da ist das Gesicht eingeschlafen, da diese Forderungen schon seit gefühlten 1000 Jahren u.a. auf den Tischen der Gleichstellungstanten festkleben und immer noch nicht umgesetzt wurden. Und genau das nervt. Diese Forderungen werden dargestellt, als ob sie neu erfunden worden wären und nun die besagte Lücke in der Gleichstellungspolitik füllen würden. Dabei wird offensichtlich nicht anerkannt, dass in diesem Feld sämtliche Geschlechter schon immer mitgedacht wurden und es sich hierbei nicht um eine Fortsetzung eines (mythischen) Geschlechterkampfes handelt. Dass es vor allem Frauen sind, welche sich grosse Kompetenzen in diesem Bereich über Jahre erarbeitet haben, liegt auf der Hand. Der Geschlechter-Dialog-Ansatz ist stossend, weil er einen gemeinsamen Kampf suggeriert, jedoch einen Geschlechterkampf konstruiert.


Theunert – schraub mal einen Gang runter

Die eben beschriebene Nicht-Annerkennung spiegelt sich im Auftreten von Markus Theunert. Schon nur die Tatsache, dass eine "Bewegung" seit ein paar Jahren durch EIN Gesicht auftritt, irritiert. Wenn nun das von Männer.ch portierte Anliegen, die Gesellschaft von Geschlechter-Stereotypen zu befreien diametral zum Stereotypen reproduzierenden Auftreten von diesem einen Gesicht steht, wird’s richtig schwierig. An stereotyp männlicher Unbescheidenheit mangelt es nicht – von Markus Theunert (ehrenamtlicher Präsident von Männer.ch) darf man honorarfrei ein druckreifes Foto von der Website laden, in der Männerzeitung wird er im Impressum als Gründer nach wie vor aufgeführt, für Referate oder Podiumsteilnahmen muss man fei echli sparen, um sich den Ehrenamtlichen leisten zu können, seine persönliche Stellungnahme zum aktuellen Fall, schliesst er mit einem Lösungsvorschlag für das Gelingen des Projektes Gleichstellung: ein Hinweis auf SEINE Publikation. Zu guter Letzt folgt der (sich) krönende Abschluss in der Begründung der Kündigung als Männerbeauftragter: "Als Präsident von Männer.ch erziele ich die grössere Wirkung". Macht Sinn. Unterabteilungsmensch bei einer verstaubten Kantonsverwaltung klingt weniger spassig als Präsident sein mit honorarfreiem hochaufgelöstem Föteli.

Dieser Habitus nervt gewaltig, weil er sich in einer patriarchalen Welt ein Gehör verschafft, welches die vielen engagierten Gleichstellungstanten (es gibt übrigens schon seit Langem auch vereinzelte Gleichstellungsönkel, einfach ohne Brimborium halt --> s. "Anerkennung") nicht erlangen. Kompetenz ist ein männliches Stereotyp. Womit wir an dieser Stelle gerne mal das Spielchen umdrehen. Wir kennen es alle – Frauen, die eine Stelle nicht erhalten oder gekündigt werden, wird als erstes mal die Kompetenz abgesprochen. Nun, könnte es sein, dass Markus Theunert nicht diejenigen Kompetenzen mitbringt, die eine Arbeit bei einer Fachstelle für die Gleichstelle von Mann und Frau erfordert? Neben der mangelnden Anerkennung der Arbeit innerhalb der Gleichstellungspolitik und dem patriarchalen Auftreten, finden sich in einigen Aussagen Hinweise, dass er noch nicht alles so wirklich zu Ende gedacht hat. Einer unserer Lieblinge findet sich in der "Distanzierung" zur IG-Antifeminismus, an deren Treffen Theunert auftrat:  "Das «Antifeminismus-Treffen» gibt untaugliche Antworten [Genau!], formuliert aber legitime Fragen [wie bitte?]. Es ist Ausdruck einer wachsenden Zahl von Männern, welche sich in ihrer Alltagsrealität und ihren Anliegen im Stich gelassen fühlen [wer lässt sie im Stich? Die ¾-Männermehrheit in den Parlamenten?]. Es ist Warnsignal für ein reales Problem: die ungenügende Berücksichtigung der Männeranliegen durch die Politik im Allgemeinen und die Gleichstellungsinstitutionen im Speziellen [Diese Studie über die Unberücksichtigung würde uns interessieren]". Chancengleichheit und Wahlfreiheit scheint auch nicht seine Kernkompetenz zu sein: Auf die Präzisierungsfrage einer Journi, ob es sich bei der Lohndifferenz nicht um 20%, statt um 8% handle, antwortet Theunert bei seinem Stellenantritt als Männerbeauftragter: "Diese 20 Prozent setzen sich aus zwei Komponenten zusammen: 12 Prozent kann man dadurch erklären, dass Frauen weniger Weiterbildungen besuchen und sich für Berufe entscheiden, die weniger gut bezahlt werden. Dies ist jeder Frau selbst überlassen. Die restlichen acht Prozent sind reine Diskriminierung". Ähm, ja.


Freitag, 20. April 2012

Ja zu Stoff-Vaginas!

Die Volksinitiative „Schutz vor Sexualisierung in Kindergarten und Primarschule“ möchte Sexualkundeunterricht für Schüler_innen unter neun Jahren untersagen und bis zum zwölften Altersjahr nur auf freiwilliger Basis regeln. Damit werden wirkungsvolle Prävention und Information gegen sexualisierte Gewalt und Missbrauch, aber auch Aufklärung zu Verhütung praktisch verunmöglicht. Brisant: Der Co-Präsident des Komitees (und übrigens auch Stiftungsrat der «Schweizerischen Hilfe für Mutter und Kind», einer rechtskonservativen Organisation, die sich seit Jahren gegen Schwangerschaftsabbruch einsetzt) war 1996 wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt worden, weil er regelmässig eine Jugendliche zu Geschlechtsverkehr gezwungen hatte.

In einem Interview vom Januar 2012 meinte er:
Es geht zum Beispiel um die persönliche Freiheit, um den Schutz der Kinder und um den Schutz des Privat- und Familienlebens – alles gemäss Bundesverfassung.
Auch das Initativkomitee meint:
Sexuelle Aufklärung ist vor allem Aufgabe des Elternhauses
Aha. Schutz des Privat- und Familienlebens? Also gerade dieses Ortes, in dem viele der sexuellen Übergriffe geschehen? Das ist allerdings schon etwas mehr als lediglich ein "ein Fehlstart der Initiative" meinen wir!

Die Journalistin Monika Zech schreibt dazu:
Der Fall von Benjamin Spühler zeigt einmal mehr, wie gern das Thema Sexualität von Heuchlern besetzt wird. Wie lange haben Kirchenvertreter dank der Tabuisierung der Sexualität Kinder missbrauchen können!
Tatsache ist eben, und das bestätigen sämtliche Fachleute – auch die Polizei: Aufgeklärte Kinder lassen sich nicht so leicht missbrauchen. Und genau darum geht es beim Sexualkundeunterricht. Exakt mit dem Schutz der Kinder vor sexueller Ausbeutung argumentieren diejenigen, die einen moderaten, selbstverständlich dem Alter der Kinder angepassten Sexualkundeunterricht einführen wollen. Dass ein verurteilter Kinderschänder die Initiative gegen diese Aufklärung ergriffen hat, sollte allen, die sich ihm angeschlossen haben, Grund genug sein, diese Initiative zurückzuziehen. Es geht nämlich darum, unsere Kinder vor solchen Menschen wie Benjamin Spühler zu schützen.

Auch wir meinen - und hoffen v.a.: Aufgeklärte Kinder lassen sich nicht so leicht missbrauchen – deshalb ja zu Stoff-Vaginas!


Bild von hier





Sonntag, 15. April 2012

Bedingungsloses Grundeinkommen? Nicht ganz.

Zugegeben, auf den ersten Blick scheint die soeben lancierte Initiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen super! Auch menschenwürdiges Dasein und Teilhabe am öffentlichen Leben als Ziele tönen doch wunderbar. Und aus feministischer Perspektive scheint die Idee einige lang mitgetragene Probleme zu lösen: Anstelle zwischen bezahlter und unbezahlter „Arbeit“ (ja, in Anführungszeichen, denn Erziehung, Hauspflege und Liebe werden selten als Arbeit bezeichnet, da nicht entlöhnt) zu unterscheiden, würden diese nun auch finanziell wertgeschätzt. Ausserdem: Mehr Zeit für alle. Und keine Sorge, wird werden nicht alle einfach rumliegen und Kohle absahnen, der Kapitalismus, der löst sich nicht in Luft auf: Der „Arbeitsanreiz“ bleibt weiter bestehen; arbeiten kann, soll, muss mensch ja schon auch – und dann gibt’s auch mehr Lohn.

Tönt nicht schlecht. Tun was wir wollen, also? Die Befreiung der Schweiz? "Ja, aber..." - oder "nicht ganz", wie Ina Praetorius, die übrigens auch im Initativkomitee ist, unser Unbehagen auf den Punkt bringt:
Es gibt in der wachsenden Bewegung für das leistungsunabhängige Grundeinkommen viele Leute, vor allem jüngere Männer, die das Modell Grundeinkommen als eine Art „Befreiungsschlag“ empfinden und propagieren. Sie verknüpfen es vor allem mit einem unrevidiert patriarchalen Freiheitsbegriff und vermitteln so den Eindruck, dass alle Leute, wenn das Grundeinkommen erstmal da ist, tun und lassen können, was sie wollen.
Ausserdem müssten wir in der Diskussion über ein „bedingunsloses“ Grundeinkommen auch gründlicher drüber nachdenken, was „Wirtschaft“ genau ist. Und das tun wir, deshalb nochmals Ina Praetorius:
Erst wenn wir ausdrücklich aufhören, die Wirtschaft willkürlich und gedankenlos auf den Bereich zu begrenzen, in dem vorzugsweise weisse erwachsene bezahlte Männer zunehmend unnütze Produkte herstellen und gegen Geld tauschen, wird die Debatte um das bedingungslose Grundeinkommen werden, was sie sein könnte: spannend und zukunftsschwanger.
Oh mensch, was ist denn nun schonwieder das Problem?, mögt ihr fragen. Das ist alles unglaublich anstrengend. Und wir antworten dann: Genau. So ist es. Und komplex dazu.

Denn die Arbeit, die getan werden muss, löst sich nicht in Luft auf. Das ist oft diejenige Arbeit, die nur wenige wirklich gern machen, nämlich: Windeln wechseln, Betten beziehen, Klos putzen, Müll entsorgen, Ställe ausmisten, abstauben, Hausaufgaben betreuen, Krisensituationen gemeinsam bewältigen, Essen kochen, Abwasserkanäle sanieren und so weiter. Wir sind und bleiben ja alle als Menschen geborene, verletzliche, scheissende, alternde Wesen...

Ihr seht, es ist also keineswegs „bedingungslos“, dieses Grundeinkommen, wie Frau Schrupp expliziert:
[...] sondern es ist eben an die Bedingung gebunden, dass wir akzeptable Rahmenbedingungen schaffen, unter denen notwendige, aber nicht „profitable“ Arbeiten erledigt werden. Wer soll diese Arbeit in Zukunft tun und warum, wenn man niemanden mehr unter Androhung von Geldentzug dazu zwingen kann?
Nun – wie sähe es denn aus, ein leistungsunabhängiges Grundeinkommen aus feministischer Perspektive? Im Manifest „Sinnvolles Zusammenleben im ausgehenden Patriarchat. Argumente für ein leistungsunabhängiges Grundeinkommen und weitere Gedanken zum Thema Geld, Arbeit und Sinn“ haben die Autor_innen des Textes das Grundeinkommen kritisch durch- und beleuchtet und liefern die grundlegenden Aspekte, die wir in den aktuellen Diskussionen mitdenken müssen.

Hier könnt ihr den ganzen Text nachlesen.

Leider werden im Büchlein zur Initative („Die Befreiung der Schweiz“ von Daniel Straub und Christian Müller) das „die Utopie Grundeinkommen in einen konkreten Zukunftsentwurf“ stellen sollte, diese Themen nicht erwähnt. Nochmals Antje Schrupp:
Ist es nicht möglich, auch in einem Büchlein, das das Grundeinkommen als Idee propagieren und unterstützen will, diese Problematik mal einzugestehen und darauf hinzuweisen, dass hier noch weiterer Handlungs- und Diskussionsbedarf besteht? Nicht, um die Grundeinkommensidee zu widerlegen oder zu schwächen. Ganz im Gegenteil: Um den aus guten Gründen skeptischen feministischen Denkerinnen zu signalisieren: Wir haben eure Einwände verstanden und greifen sie in unseren programmatischen Konzepten auf!
Dafür genügt es nicht, auch ein Interview mit einer postpatriarchalen Denkerin abzudrucken, wenn man deren Gedanken dann aber im Rest des Textes einfach ignoriert. Es ist dies ein eklatantes Beispiel für ein Phänomen, das ich leider ziemlich oft im Dialog zwischen Männern und Frauen beobachte: Die Frauen sagen etwas, die Männer nicken freundlich, versichern „Ja, Ja“, und gehen dann wieder zur Tagesordnung über, als wäre nichts gewesen

Das ist es, was mich frustriert: Nicht, dass hier ein Dissens wäre, ein politischer Konflikt, denn den könnte man ja austragen. Sondern dass ein Dialog überhaupt gar nicht erst zustande kommt, weil das Thema die Männer offenbar nicht interessiert.

Genau so isses – und nicht „ja, ja“. Lest, diskutiert und denkt weiter!


Bild von hier

Donnerstag, 18. August 2011

Und der goldene Phallus 2011 geht an...

Endlich ist es soweit – der goldene Phallus wird wieder verliehen! Den begehrten Preis, der von dafne – dem feministischen Netz schon seit mehreren Jahren verliehen wird, gibt’s dieses Jahr für sexistische Berichterstattung über Politikerinnen. Wir dürfen gespannt sein – Auswahl gibt’s ja genug!

Die Verleihung findet statt am Donnerstag, 15. September um 18 Uhr am Bahnhofsplatz Bern (unter dem Baldachin).

Und wer nochmals in alten Erinnerungen schwelgen möchte, dem oder der seien die Berichterstattungen der letzten Jahre in Erinnerung gerufen z.b. hier oder hier die Verleihung des letzten Jahres oder hier diejenige von 2005.

Und dann gibt's ja auch noch das Filmchen mit Spezialgast Köppel, der letztes Jahr für sein Blättli den Preis für sein Lebenswerk bekam.



Im Anschluss gibt’s für diejenigen, die wollen eine Filmvorführung und eine Podiumsdiskussion über Frauen, Medien und Politik. Den Flyer dazu gibt’s hier.


Fotografie von der Feministischen Seite der Sozialistischen Jugend Österreich.