Frauen waren immer schon politisch aktiv – auch in der Schweiz. Und obwohl sie erst Ende des 20. Jahrhunderts als politisch mündige Bürgerinnen anerkannt wurden, waren sie bereits früh in internationale und nationale Organisationsstrukturen eingebettet, gründeten politische Vereine oder waren in regionalen, autonomen Politgruppen aktiv. Und zwar bis heute.
Seit gestern sind nun vier von sieben Mitgliedern der Exekutive weiblich – eine Frauenmehrheit also, die auch vom Ausland kommentiert wird: Von der
New York Times über
Le Monde bis zum
Guardian – sie alle scheinen sich die Frauenmehrheit im Bundesrat zu freuen und werten die gestrige Wahl der SP-Frau Sommaruga als „historischen Moment“ für die Schweiz. So meint etwa der Guardian:
In a country which only gave women the vote in national elections in 1971 – and in which one canton blocked them from local votes until 1990 – the creation of the first female-dominated federal council has been greeted as a symbolic leap forward.
Etwas nüchterner sieht es die deutsche
Zeit – ausserdem die einzige Zeitung, die korrekterweise darauf hinweist, dass die Schweiz nicht nur erst 1971 das Frauenstimm und -wahlrecht einführte, sondern dies sogar erst auf Druck von Aussen machte (sie hätte sonst die europäische Menschenrechtskonvention nicht unterzeichnen dürfen):
Die politische Macht, die die Frauen sich allmählich in der Schweiz erobert haben, geht nämlich keineswegs mit ihrer wirtschaftlichen einher. In den wahren Schaltzentralen des Landes haben sie immer noch fast nichts zu sagen. Die gläserne Decke, sie besteht offenbar aus Panzerglas.
Ja, das Panzerglas, das ist unüberwindbar – aber ist es nicht so, dass wir versuchen sollten, der kapitalistischen Logik einen Streich zu spielen anstelle selber in die Teppichetagen einzunisten? Das ist übrigens dort, wo es (danke, liebe Regula Stämpfli für diese Bezeichnung) aussieht wie in einem „Wartezimmer beim Urologen“…
Die Schande, dass Frauen bis heute gute 1/5 weniger als Männer verdienen, bleibt allemal bestehen.
Sieg der Frauen also? Interessanterweise weist beim ganzen Freudentaumel kaum jemand darauf hin, dass es wohl die SVP (unterstützt von einigen Vertretern der CVP) war, welche der zweiten Frau ihren Sitz streitig machte.
Selbstverständlich freuen wir uns, dass es auch Frauen in die Exekutive schaffen. Aber von einem „Sieg“ zu sprechen scheint gar hoch gegriffen, denn wir fragen wir uns ob diese symbolische Frauenmehrheit dazu führt, sexistische Strukturen abzubauen oder einen Einfluss darauf hat, dass Frauen im Parlament untervertreten sind. Wohl kaum. Aber schaden tut’s ja auch nicht und wenn Mädchen mit dem Bild aufwachsen, dass auch sie Bundesrätinnen sein können ist es sicher auch nicht verkehrt. Aber es wäre doch interessant zu wissen, was diese Entwicklung über den Status der (institutionellen) Politik sagt, denn historisch ging der Eintritt von Frauen in gewisse (Berufs-)Felder immer mit einer Abwertung des Staus einher.
Spannend bleibt’s allemal – denn aller Wahrscheinlichkeit nach bleibt‘s lediglich bis zu den Gesamterneuerungswahlen des Bundesrates 2011 bei dieser Frauenmehrheit in der Exekutive. Wir bleiben dran.
PS: Wir hätten uns übrigens sehr gefreut, wenn die Journalisten (ja, es waren leider nur Männer) im Schweizer Fernsehen nach der Wahl von Herrn Schneider-Ammann nicht leidglich Frauen gefragt hätten, ob sie nicht lieber eine zweite Bundesrätin gehabt hätten. Denn es ist nicht nur Sache der Frauen, Frauen in der institutionellen Politik zu fördern und es gibt auch Männer, die sich fünf Frauen im Bundesrat gewünscht haben.