Donnerstag, 17. Februar 2011

Die Valentinstag-isierung der Frauen

Mit Freude dürfen wir unseren ersten Gastbeitrag präsentieren:

Am Valentinstag wird „den Frauen“ verkündet, was „die Frauen“ wollen: Sie wollen Candlelight-Dinners und Wellness, sie wollen, dass man ihre Lieblingsteesorten kennt und ihnen jeden Wunsch von den Lippen abliest und dann wollen sie noch Einfamilienhäuser dekorieren.

von Franziska Schutzbach


Barack Obama ist ein Romantiker. Er denkt an sämtliche Geburts- und Hochzeitstage, und am Valentinstag schenkt er seiner Frau Schmuck. Das ist exakt, was Michelle Obama sich wünscht. Alle Männer sollten sich, das rät die First Lady, an ihrem Barack ein Beispiel nehmen, denn mit Schmuck am Valentinstag kann man nichts falsch machen. Am besten eingepackt in herzchen- oder erdebeerförmige Schatullen. Weiter sollen Paare, um die Liebe am Laufen zu halten, romantisch sein, zusammen lachen und: romantisch sein.

Was ist los mit der Powerfrau Michelle Obama? Where the hell ist die erfolgreiche Anwältin, die ihr Studium (Princeton!) mit einer Arbeit zur Situation von Schwarzen an der Universität abschloss? Wo ist die Frau, die während dem Wahlkampf Patriotismus-kritische Statements abgab und ihrem Mann öffentlich klarmachte, dass er sich auch als Präsident weiterhin um Kinder und Haushalt zu kümmern habe?

Spätestens mit dem Romantik-im-Weissen-Haus-Interview zum Valentinstag hat die Welt die selbstbewusste First Lady da, wo sie sie haben will: im Käfig der Kuscheltiere. First Ladies sollen schliesslich keine Politik machen, sondern eine Identifikationsfläche sein. Für Frauen. Konkret für Frauen, die Teddybären sammeln. Denn das ist am Valentinstag wieder mit aller Deutlichkeit klar geworden: Die öffentliche Meinung über Frauen ist, dass sie – wie Kinder – nichts anderes wollen als verwöhnt, beschenkt, unterhalten und bespielt werden.

Weiblichkeit und Erwachsensein gelten nach wie vor als inkompatibel, wie die Bestseller-Autorin Barbara Ehrenreich in ihrem Buch „Smile or Die“ konstatiert. Frauen zum Beispiel, die an Brustkrebs erkranken, erhalten von der Krebsorganisation „Libby Ross Foundation“ ein Köfferchen mit Schminksachen, einem rosa Kissenbezug, Pfefferminz-Bombons und Buntstiften. Die Buntstifte sind dazu da, so die Organisation, Hoffnungen und Träume zu malen (!). Bei der Krebsliga „Pink Ribbon“ können ausserdem Solidaritäts-Teddybären und Barbie-ähnlicher Kleinmädchen-Schmuck (Silber-Ballerinas, Herzen, Engel) erstanden werden.

Dieses ganze Knuddelparadies ist nicht etwa der Faux-pas eines unerfahrenen Marketing-Schnösels, die Infantilisierung von Frauen hat System. Denn einmal abgesehen davon, dass Männer wohl kaum jemals mit Buntstiften und Teddybären belästigt würden, ist die Festlegung der Frauen aufs Poesiealbum-Niveau nicht nur ein Milliardengeschäft, sondern auch eine Strategie, mit der von politischen Kämpfen abgelenkt wird.

Die Politologin Regula Stämpfli brachte es jüngst auf den Punkt, als sie in ihrer Kolumne die „herzige Jubiläums-Aufmachung“ zu 40 Jahre Schweizer Frauenstimmrecht in der Frauenzeitschrift Annabelle kritisierte: „Peinliche Jubiläumsgeschichten schlagen wichtige historische Freiheitskämpfe tot“. Gesellschaftspolitische Forderungen verkommen, direkt neben Anti-Aging und Anti-Cellulite-Werbung, Kochrezepten und Wellnesstips zum reinen Wohlfühlthema. Natürlich ist die Verniedlichung der Frauen nicht neu, sie hat aber während des umfassenden Siegeszuges von Lifestyle- und Wellnesskultur ihren Höhepunkt erreicht.

Was tun? Ein feministisches Post-Valentinstag-Statement wäre vielleicht eines, das dem Appell des Rockers Chris von Rohr an die strunzbraven MusicStar-Kandidat_innen nicht unähnlich ist: „Meh Dräck!“ (deutsch: „Mehr Dreck!“). Oder mit anderen Worten, wehren wir uns endlich gegen die Tyrannei der Kuscheligkeit!



2 Kommentare:

  1. Ach herrje, ja, diese Dinge sind grauenhaft. Aber habt vielen Dank für diesen wunderbaren Post, der war jetzt voll von so einer Art – hm – Lachen? Mir fällt nicht das richtige Wort ein, er ist so geschrieben, dass ich über dem ganzen Elend in eine Mischung aus Tränen und Heiterkeit ausbreche, macht vergnügt, zuversichtlich und mutig. Diesen spiessigen Valentin, den codieren wir schon noch um, wart du nur...

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  2. Ich finde die Kritik am Valentinstag gut, finde jedoch das auch diese website (auf der ich heute zum ersten Mal bin) auch durchaus als ``kuschelig´´ bezeichnet werden könnte- zudem die pinken Aufkleber mit dem Motto ``nur Hühner tanzen an Stangen´´ empfinde ich als unangebracht- rechtfertigt er -in meiner Sicht Speziesismus ( das als ``nomal´´ betrachten das Hühner unartgerecht gehalten werden...Und klar, sind mir Theorien des third wave Feminismus' vertaut- finde es aber trotzdem fragwürdig ``Kuscheligkeit´´ dermaßen anzugreifen auf einer Platform die aussieht- entschuldigen Sie bitte- wie ein Plüschkissen aus den 50ern. Ok- Michele Obama ist keine radikale Feminsitin und der Valentinstag die Ausgeburt von geldgierigen Investoren-das ist doch nichts Neues! und außerdem: warum heißt es in der Überschrift: Die ``Valentinstag-isierung von Frauen´´-denken Sie nicht, die männer wären davon nicht auch ``betroffen´´ natürlich nicht gleichermaßen-da sie nicht verniedlicht werden, aber ihnen wird genause eine Rolle von der Industrie aufgelegt- und zwar die des Gönners, des sugardaddys...Also mir persönlich ist der Bericht etwas zu einseitig und zu oberflächlich. Ein Aufruf zur Rebellion sieht meines Erachtens jedenfalls anders auf. Nicht so niedlich und ``kuschelig´´ jedenfalls! Rebecca

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