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Sonntag, 15. April 2012

Bedingungsloses Grundeinkommen? Nicht ganz.

Zugegeben, auf den ersten Blick scheint die soeben lancierte Initiative für ein bedingungsloses Grundeinkommen super! Auch menschenwürdiges Dasein und Teilhabe am öffentlichen Leben als Ziele tönen doch wunderbar. Und aus feministischer Perspektive scheint die Idee einige lang mitgetragene Probleme zu lösen: Anstelle zwischen bezahlter und unbezahlter „Arbeit“ (ja, in Anführungszeichen, denn Erziehung, Hauspflege und Liebe werden selten als Arbeit bezeichnet, da nicht entlöhnt) zu unterscheiden, würden diese nun auch finanziell wertgeschätzt. Ausserdem: Mehr Zeit für alle. Und keine Sorge, wird werden nicht alle einfach rumliegen und Kohle absahnen, der Kapitalismus, der löst sich nicht in Luft auf: Der „Arbeitsanreiz“ bleibt weiter bestehen; arbeiten kann, soll, muss mensch ja schon auch – und dann gibt’s auch mehr Lohn.

Tönt nicht schlecht. Tun was wir wollen, also? Die Befreiung der Schweiz? "Ja, aber..." - oder "nicht ganz", wie Ina Praetorius, die übrigens auch im Initativkomitee ist, unser Unbehagen auf den Punkt bringt:
Es gibt in der wachsenden Bewegung für das leistungsunabhängige Grundeinkommen viele Leute, vor allem jüngere Männer, die das Modell Grundeinkommen als eine Art „Befreiungsschlag“ empfinden und propagieren. Sie verknüpfen es vor allem mit einem unrevidiert patriarchalen Freiheitsbegriff und vermitteln so den Eindruck, dass alle Leute, wenn das Grundeinkommen erstmal da ist, tun und lassen können, was sie wollen.
Ausserdem müssten wir in der Diskussion über ein „bedingunsloses“ Grundeinkommen auch gründlicher drüber nachdenken, was „Wirtschaft“ genau ist. Und das tun wir, deshalb nochmals Ina Praetorius:
Erst wenn wir ausdrücklich aufhören, die Wirtschaft willkürlich und gedankenlos auf den Bereich zu begrenzen, in dem vorzugsweise weisse erwachsene bezahlte Männer zunehmend unnütze Produkte herstellen und gegen Geld tauschen, wird die Debatte um das bedingungslose Grundeinkommen werden, was sie sein könnte: spannend und zukunftsschwanger.
Oh mensch, was ist denn nun schonwieder das Problem?, mögt ihr fragen. Das ist alles unglaublich anstrengend. Und wir antworten dann: Genau. So ist es. Und komplex dazu.

Denn die Arbeit, die getan werden muss, löst sich nicht in Luft auf. Das ist oft diejenige Arbeit, die nur wenige wirklich gern machen, nämlich: Windeln wechseln, Betten beziehen, Klos putzen, Müll entsorgen, Ställe ausmisten, abstauben, Hausaufgaben betreuen, Krisensituationen gemeinsam bewältigen, Essen kochen, Abwasserkanäle sanieren und so weiter. Wir sind und bleiben ja alle als Menschen geborene, verletzliche, scheissende, alternde Wesen...

Ihr seht, es ist also keineswegs „bedingungslos“, dieses Grundeinkommen, wie Frau Schrupp expliziert:
[...] sondern es ist eben an die Bedingung gebunden, dass wir akzeptable Rahmenbedingungen schaffen, unter denen notwendige, aber nicht „profitable“ Arbeiten erledigt werden. Wer soll diese Arbeit in Zukunft tun und warum, wenn man niemanden mehr unter Androhung von Geldentzug dazu zwingen kann?
Nun – wie sähe es denn aus, ein leistungsunabhängiges Grundeinkommen aus feministischer Perspektive? Im Manifest „Sinnvolles Zusammenleben im ausgehenden Patriarchat. Argumente für ein leistungsunabhängiges Grundeinkommen und weitere Gedanken zum Thema Geld, Arbeit und Sinn“ haben die Autor_innen des Textes das Grundeinkommen kritisch durch- und beleuchtet und liefern die grundlegenden Aspekte, die wir in den aktuellen Diskussionen mitdenken müssen.

Hier könnt ihr den ganzen Text nachlesen.

Leider werden im Büchlein zur Initative („Die Befreiung der Schweiz“ von Daniel Straub und Christian Müller) das „die Utopie Grundeinkommen in einen konkreten Zukunftsentwurf“ stellen sollte, diese Themen nicht erwähnt. Nochmals Antje Schrupp:
Ist es nicht möglich, auch in einem Büchlein, das das Grundeinkommen als Idee propagieren und unterstützen will, diese Problematik mal einzugestehen und darauf hinzuweisen, dass hier noch weiterer Handlungs- und Diskussionsbedarf besteht? Nicht, um die Grundeinkommensidee zu widerlegen oder zu schwächen. Ganz im Gegenteil: Um den aus guten Gründen skeptischen feministischen Denkerinnen zu signalisieren: Wir haben eure Einwände verstanden und greifen sie in unseren programmatischen Konzepten auf!
Dafür genügt es nicht, auch ein Interview mit einer postpatriarchalen Denkerin abzudrucken, wenn man deren Gedanken dann aber im Rest des Textes einfach ignoriert. Es ist dies ein eklatantes Beispiel für ein Phänomen, das ich leider ziemlich oft im Dialog zwischen Männern und Frauen beobachte: Die Frauen sagen etwas, die Männer nicken freundlich, versichern „Ja, Ja“, und gehen dann wieder zur Tagesordnung über, als wäre nichts gewesen

Das ist es, was mich frustriert: Nicht, dass hier ein Dissens wäre, ein politischer Konflikt, denn den könnte man ja austragen. Sondern dass ein Dialog überhaupt gar nicht erst zustande kommt, weil das Thema die Männer offenbar nicht interessiert.

Genau so isses – und nicht „ja, ja“. Lest, diskutiert und denkt weiter!


Bild von hier

Freitag, 17. Dezember 2010

Fühlt ihr euch nun tatsächlich besser?

Die Woche ist fast durch, die Rappen schon bald fertig gezählt und „die Schweiz“ verteilt in Anbetracht der Weihnachtszeit gegen 4 Millionen Franken an arme Kinderlein irgendwo weit weg auf der Welt. Sämtliche Pseudo-Promis krochen aus ihren verstaubten Löcher, nutzten die Gelegenheit, endlich wiedermal in der Schweizer Illustrierte erscheinen zu dürfen und produzierten zum Himmel stinkende Lieder, die zynischer nicht sein könnten. Penetrante Radio-&TV-Journis basteln an ihrem Heldentum (Yeah-ich-habe-1-Woche-im-Container-überlebt-und-mir-sogar-einen-Bart-wachsen-lassen-weil-mir-das-Schicksal-von-Kindersoldaten-so-wahnsinnig-nahe-geht), um sich den 40-Jahre-Vertrag bei der SRG zu sichern und die Swisscom markiert ihr „soziales Engagement“, indem sie uniformierte Mitarbeitende ebenfalls in einen Container sperrt.

Dass die ganze Geschichte primär ein riesiges Marketingspektakel ist, bei dem die armen Kinderlein v.a. als willkommenes Instrument dienen, hat W bereits schlau aufgezeigt. Was erstaunt, ist, wie unreflektiert eine grosse Masse an Menschen dieser Marketingmaschine völlig unreflektiert Aufwind gibt und sich dabei sogar besser zu fühlen scheint.

Wir fragen:
Ist es tatsächlich euer Ernst, dass ihr euch solidarisch fühlt, indem ihr…

…euch einen virtuellen Button auf euer virtuelles Facebook-Gesicht klebt?
…bei einer Ersteigerung von einem dekadentem Cüppli-Date mit Mister Schweiz zugunsten von hungernden Kindern mitmacht?
…in der Mittagspause schnell beim Bundesplatz vorbeigeht und ein 20er-Nötli den Schlitz runterlässt (und die Gelegenheit grad noch rasch nutzt, um mit dem I-Phone die bärtigen Radiohelden und deren C-Klasse-Superstar-Interviewpartner zu fötelen) und dabei die Obdachlosen, an denen ihr vorbeigeeilt seid, wie immer ignoriert (ist ja schon chli unangenehm, Menschen, denen es elend geht, direkt gegenüber zu stehen, dann lieber ein 20er-Nötli für die armen Kinderlein weit weg, deren traurigen Blick ich wegklicken kann, wenn ich grad keine Lust hab)?

Wer von euch hat sich schon mal überlegt, dass das Negerkindlein, dass ihr mit eurem Schlitz-20er-Nötli zu unterstützen meint, schon morgen bei uns in der Schweiz in einem Asyldurchgangsheim anklopfen könnte? Bringt ihr denn dem – getrieben von eurem Solidaritätsgefühl – auch in der Mittagspause rasch ein 20-er-Nötli in den Container?

Freitag, 17. September 2010

Neoliberalismus und Feminismus?

Neoliberalismus und der Feminismus der Neuen Frauenbewegung im Zuge der so genannten 68er blühten etwa zur selben Zeit auf. Nancy Fraser, Politologin, Feministin und wohl eine der klügsten ZeitgenossInnen unserer Zeit weist in diesem Zusammenhang auf eine beunruhigende Möglichkeit hin: Der kulturelle Wandel, der durch diese 2. Welle des Feminismus herbeigeführt wurde, hat gleichzeitig die Transformation einer kapitalistischen Gesellschaft legitimiert – eine Entwicklung, die der feministischen Vision einer gerechten Gesellschaft entgegenwirkt.
War es bloßer Zufall, dass Neue Frauenbewegung und Neoliberalismus gleichzeitig, sozusagen als Tandem, in Erscheinung traten und gediehen? In ihrer Bilanz der letzten 40 Jahre zeigt Nancy Fraser, wie der Neoliberalismus Elemente der feministischen Gesellschaftskritik in den Dienst kapitalistischer Verwertung und gesellschaftlicher Modernisierung stellte. Ihr Fazit: Nur eine Rückbesinnung auf die eigenen radikalen Ursprünge kann die Neue Frauenbewegung aus dieser Umarmung befreien und damit zu einer Überwindung des Neoliberalismus beitragen.

Hier begründet sie diese Einschätzung der geschichtlichen Bedeutung der Neuen Frauenbewegung (englisch):


Feminism, Capitalism, and the Cunning of History
Hochgeladen von laviedesidees. - Nachrichtenvideos aus der ganzen Welt.

Und wer lieber liest, findet die durchaus etwas beklemmend aber dennoch kluge Analyse hier (in deutscher Sprache).


Mittwoch, 18. August 2010

Im Internet sind alle gleich... oder!?

„Der Traum von einem globalen virtuellen Raum, in dem Macht- und Herrschaftsverhältnisse keine Rolle spielen, ist wahrscheinlich unerreichbar.“ schreibt Kathrin Ganz vom Feministischen Institut Hamburg. Um was geht’s?

Der Begriff Netzneutralität bezeichnet die gleichberechtigte Übertragung von Datenpaketen unabhängig davon, woher diese stammen, welchen Inhalt sie haben oder welche Anwendungen die Pakete generiert haben. Netzneutralität sichert somit den Zugang zu Wissen und Informationen unabhängig von Herkunft, Geschlecht, Aufenthaltsort, Einkommen, sozialer Schicht und ökonomischer Leistungsfähigkeit.
Google und die Telekomfirma Verizon fordern nun in den USA die Möglichkeit, diesen Zugang unterschiedlich zu priorisieren und verschiedenen Nutzer_innen gewisse Privilegien zu ermöglichen – und rüttelt damit am Prinzip der Netzneutralität, wie die NZZ berichtet.

Nun drohen „Zensur, noch mehr Kommerz und eine Einschränkung der Informationsfreiheit“, befürchtet die WoZ und Helga von der Mädchenmannschaft weist auf den Einfluss hin, welche diese Ideen insbesondere auf die feministisch-queere Szene haben könnten. Ausserdem zeigt sie, dass „(sich so) im Spannungsfeld von Netzpolitik und Datenschutz immer deutlicher (zeigt), dass Diskriminierungen weiterhin Alltag sind, durch die Existenz des Internets alleine nicht verschwinden, sondern stattdessen jeden Tag aufs neue benannt und angegangen werden müssen."

Dazu nochmals Kathrin Ganz: "Es gibt unzählige Seiten, Weblogs, Foren, Mailinglisten und Podcasts, die von Menschen aus unterschiedlichen marginalisierten Positionen heraus betrieben werden. Diese Tools dienen zur Vernetzung und politischen Organisation im Kampf gegen Unterdrückung und Ausgrenzung und werden durch Eingriffe in die Netzneutralität gefährdet".

Also - auch wenn die Diskussionen nach den USA im Moment erst langsam in Europa geführt werden, so lohnt es sich, sich über diese Entwicklungen zu informieren.

Montag, 16. August 2010

PorSI, PorNO

Dass Pornos meist gar nichts mit Lust oder Sexiness zu tun haben, beschreibt die Soziologin Gail Dines in ihrem aktuellen Buch “Pornland – How Porn Has Hijacked Our Sexuality”. Darin berichtet sie über die zunehmende Brutalität in Pornofilmen und meint, dass „Bilder, die noch vor zehn Jahren nur selten zu sehen waren, mittlerweile Standard [sind]. Doppel- und Dreifachpenetrationen sind normal, Doppelpenetrationen in eine einzige Körperöffnung ebenfalls, den Frauen werden die Penisse so tief in den Mund gedrückt, bis sie zu würgen beginnen, sie werden geschlagen und an den Haaren gerissen, als ‚Huren‘ und ‚Fotzen‘ beschimpft, als ‚dreckig‘ und ‚versaut‘. (Link Bund)

Und dennoch sind und waren es oft diejenigen (Frauen), die Pornografie kritisieren, die als prüd und lustfeindlich betitelt werden. Obwohl diese oft diejenigen waren, die sich just eine lustvolle Sexualität aneignen wollten und sich für eine befreite, ehrliche Sexualität stark machten – und zwar jenseits kapitalistischer Logiken. Durchaus lesenswerte Kriterien für feministische Pornographie findet ihr z.B. auf der Seite des „Feministischen Porno-Filmpreises Europa“, der erstmals 2009 verliehen wurde.


PS: Die Autorin des oben genannten Bund-Artikels übrigens, kennen wir bereits – damals aber eher aus ruhmloseren Zusammenhängen. In diesem Sinne: Wir sind gespannt auf die kommenden Beiträge und die Entwicklung ihres feministischen Verständnisses…

Montag, 9. August 2010

Feministische Ökonomie

WIDE Switzerland (Women in Development Europe), das Netzwerk von NGO-VertreterInnen, WissenschaftlerInnen und AktivistInnen, die zu Gender und Entwicklung arbeiten, organisiert aufgrund grosser Nachfrage im Oktober/November diesen Jahres ein Wiederholungsseminar zu feministischer Ökonomie. Es richtet sich an VertreterInnen aus Entwicklungsorganisationen, der Verwaltung sowie an Studierende und weitere Interessierte. Anmeldemodalitäten findest du hier.

Die WoZ hat hierzu ausserdem ein umfangreiches und interessantes Dossier zusammengestellt. Gilt als Vorbereitung, sozusagen.