Freitag, 19. November 2010

Das Private ist politisch. Immernoch.

«Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache» lautet eine Initiative, die bis im Juli 2011 die nötigen 100'000 Unterschriften zusammenbringen muss. Sie verlangt, dass die Kosten von Schwangerschaftsabbrüchen aus dem Leistungskatalog der obligatorischen Krankenversicherung gestrichen werden. Privatsache? Wie war das nochmals mit dem Slogan, das Private ist politisch? Ja, eben – auf in den Politkampf, meinen wir!

Die SP-Nationalrätin Doris Stump hatte in einer Motion im Frühjahr dieses Jahres verlangt, dass Frauen für medizinisch verschriebene Verhütungsmittel wie Pillen und Spiralen nichts mehr bezahlen müssen. Dasselbe gälte für Unterbindungen, deren Kosten ebenfalls die Krankenkassen übernehmen sollen. Da der Bundesrat empfiehlt, die Motion abzulehnen hat Stump nun eine „abgeschwächte“ Version bereit, die dasselbe lediglich für jugendliche Frauen verlangt.

Und das Argument dagegen ist was wohl was? Ja, genau: zu teuer – denn 100 Millionen würde das jährlich kosten. Zum Vergleich: Seit 1989 hat die Schweiz für ihre Armee über 100 Milliarden Franken ausgegeben. Das entspricht einer Million pro Stunde. Jaja. 100 Stunden wären schnell um, meinen wir – und die 100 Stunden wollen wir auch! (Zahlen von der GSOA)

Der Bund meint übrigens:
Auch der Bundesrat hat sich vor zehn Jahren noch für die Kassenpflicht von Verhütungsmitteln ausgesprochen. Damals empfahl die Landesregierung – mit Ruth Dreifuss als Gesundheitsministerin – ein entsprechendes Postulat der CVP-Nationalrätin Rosmarie Dormann zur Annahme. Das Parlament hat aber nie darüber diskutiert, sondern schrieb das Geschäft 2002 ab – weil es mehr als zwei Jahre hängig war.
Hopphopp jetzt aber! Nimmer hängen lassen…!


Diese Forderung nach kostenlosen Abgabe von Verhütungsmitteln ist an sich nicht neu. Schon seit Mitte der 70er Jahren – lange vor der Einführung des so genannten Fristenregelung 2002 – machten sich Feministinnen für die kostenlose Abgabe von Verhütungsmitteln stark. Gleichzeitg forderten siie aber auch die Freigabe des Schwangerschaftsabbruchs: Damals meinten sie: „Einerseits kommen in den Abtreibungsparagraphen eine generelle Missachtung, eine Unterdrückung und Diskriminierung der Frau, ihr Status als Mensch 2. Ordnung zum Ausdruck. Andererseits ist der Klassencharakter des Abtreibungsverbotes (...) offensichtlich (...)“ (Emanzipation Nr. 1, Januar 1985, S. 3.)

Ganz so anders könnte man es heute nicht formulieren – obwohl der historische Kontext natürlich anders war – aber auch heute sind Schwangerschaftsabbrüche z.B. bei Migrantinnen rund dreimal häufiger als bei Schweizerinnen. Warum wohl? Sicher nicht, weil sie das gerne tun, sondern weil die finanziellen Mittel für Empfängnisverhütung oftmals fehlen.

Einen recht schönen Beitrag über das neue/alte Tabu Schwangerschaftsabbruch hat übrigens sogar die Schweizerischen Frauenzeitschrift Nr. 1 geschrieben. Man höre und staune - und freue sich auch, notabene.

Bildquelle


2 Kommentare:

  1. wenn das auch gut sein mag. was bitte ist mit der verantwortung der männer?
    das anmiert dazu, dass nur frauen sich um verhütung kümmern und junge frauen greifen noch selbstverständlicher zu pille etc. die ihrem körper schaden kann.

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  2. @Anonym: Ja, wir sehen dein Argument. Leider ist es aber wohl die gesellschaftliche Realität, dass es meist die Frauen und nicht die Männer sind, welche bei dieser Frage und der daraus resultierenden Entscheidung die Hauptlast tragen. Deswegen meinen wir auch, dass die kostenlose Abgabe von Verhütungsmitteln eine durchaus gute und praktikable Variante sein kann, die dem Körper - und Geist - der Betroffenen zugute kommt.

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